Verdachtskündigung im Arbeitsrecht: Voraussetzungen, Ablauf & Rechte
Eine Verdachtskündigung gehört zu den einschneidendsten Maßnahmen, die ein Arbeitgeber im Arbeitsrecht ergreifen kann. Sie bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis nicht wegen eines nachgewiesenen Pflichtverstoßes, sondern bereits aufgrund eines dringenden Verdachts beendet wird. Gerade für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist eine solche Situation besonders belastend – zumal die Betroffenen häufig unschuldig sind.
In diesem Artikel erklärt die Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht Britta Stiel aus Kronberg bei Frankfurt am Main, welche Voraussetzungen 2025 gelten, wie das Schema der Verdachtskündigung aussieht, welche Rolle die Anhörung spielt und was Sie tun können, wenn Sie von einer Verdachtskündigung betroffen sind. Sie benötigen weitere Informationen bzw. möchten mehr wissen? Dann nehmen Sie gerne Kontakt auf!
Was ist eine Verdachtskündigung?
Die Verdachtskündigung ist eine besondere Form der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB. Anders als bei einer sogenannten Tatkündigung, die auf einem klaren Nachweis beruht, stützt sich die Verdachtskündigung ausschließlich auf den Verdacht einer schweren Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.
Die Rechtsprechung des BAG (Bundesarbeitsgericht) hat klargestellt, dass bereits ein dringender Verdacht ausreichen kann, um das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber so stark zu erschüttern, dass eine außerordentliche (fristlose) Kündigung gerechtfertigt sein kann. Allerdings gelten hier besonders strenge Maßstäbe.
Beispiel aus der Praxis
Bei einem Unternehmen verschwinden in der Nachtschicht regelmäßig Edelmetalle. Die zur Aufklärung installierten Überwachungskameras dokumentieren zwar keine Diebstähle, allerdings verdächtiges Verhalten eines Mitarbeiters. Ein Abgleich mit den Schichtplänen legt nahe, dass die Verluste stets während seiner Dienste auftreten. Nachdem die heimliche Überwachung bekannt wird, hören die Diebstähle auf. Ein Beweis fehlt zwar, doch der Arbeitgeber kündigt den Mitarbeiter wegen dringenden Verdachts – obwohl dieser den angenommenen Sachverhalt bestreitet.
Ein weiteres Praxisbeispiel ist das Urteil des BAG unter dem Aktenzeichen 2 AZR 426/18 (Tankkartenmissbrauch).
Verdachtskündigung: Schema und rechtliche Voraussetzungen
Damit eine Verdachtskündigung im Jahr 2025 wirksam ist, müssen bestimmte rechtliche Anforderungen erfüllt sein. Das Schema der Verdachtskündigung lässt sich in vier zentrale Punkte unterteilen:
- Schwerwiegender Verdacht
Der Verdacht muss sich auf eine erhebliche Pflichtverletzung beziehen – etwa Diebstahl, Betrug oder andere Straftaten zulasten des Arbeitgebers. - Konkrete Tatsachen
Reine Vermutungen reichen nicht aus. Der Arbeitgeber muss konkrete Umstände darlegen können, die den Verdacht stützen. - Hohe Wahrscheinlichkeit
Die Rechtsprechung verlangt eine objektiv nachvollziehbare Wahrscheinlichkeit, dass die Pflichtverletzung tatsächlich vonseiten des Arbeitnehmers begangen wurde. - Verhältnismäßigkeit
Vor einer Kündigung muss der Arbeitgeber prüfen, ob mildere Maßnahmen (z. B. Abmahnung, Versetzung, Weiterbeschäftigung unter Auflagen) ausreichend wären. Erst wenn diese nicht in Betracht kommen, ist eine Verdachtskündigung zulässig.
Verfahrensablauf
Eine Verdachtskündigung muss stets schriftlich erfolgen. Zudem ist – wie bei jeder Kündigung – der Betriebsrat ordnungsgemäß zu beteiligen, sofern ein solcher im Unternehmen besteht.
Bei einer ordentlichen Verdachtskündigung hat der Betriebsrat eine Woche Zeit, eine Stellungnahme abzugeben. Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Verdachtskündigung beträgt die Frist lediglich drei Tage.
Wird der Betriebsrat nicht oder nicht korrekt angehört, ist die Kündigung schon aus formalen Gründen unwirksam. Das Verfahren erfordert also sowohl Sorgfalt als auch die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.
Beweislast
Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Dieser muss die objektiven Tatsachen darlegen, die den dringenden Verdacht auf eine Pflichtverletzung begründen. Im Streitfall vor dem Arbeitsgericht muss der Arbeitgeber belegen, dass:
- die Verdachtsmomente schwerwiegend sind,
- sie geeignet sind, das notwendige Vertrauensverhältnis zu zerstören, und
- alle zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen ergriffen wurden, bevor die Kündigung ausgesprochen wurde.
Dazu gehört auch, dass dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben wird, sich im Rahmen einer Anhörung zu den Vorwürfen zu äußern. Ohne diesen Schritt kann die Verdachtskündigung von der Rechtsprechung als unwirksam eingestuft werden.
Anhörung des Arbeitnehmers: Ein zwingender Schritt
Ein besonders wichtiger Teil im Verfahren ist die Anhörung des Arbeitnehmers. Bevor eine Verdachtskündigung ausgesprochen wird, muss der Arbeitgeber der betroffenen Person die Gelegenheit geben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
- Die Anhörung muss ergebnisoffen sein.
- Arbeitnehmer dürfen den Eindruck haben, dass ihre Sichtweise tatsächlich Einfluss auf die Entscheidung haben kann.
- Der Arbeitnehmer hat das Recht, eine Vertrauensperson oder einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
Wird die Anhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt, ist die gesamte Verdachtskündigung unwirksam.
Verdachtskündigung und Unschuldsvermutung
Viele Betroffene empfinden die Verdachtskündigung als klaren Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, die als fundamentaler Rechtsgrundsatz sogar in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6, Abs. 2) verankert ist. Juristisch gilt jedoch eine andere Betrachtung: Während es im Strafrecht um Schuld oder Unschuld geht, steht im Arbeitsrecht das Vertrauensverhältnis im Vordergrund.
Das BAG hat mehrfach entschieden, dass ein dringender Verdacht – auch wenn er sich später als unbegründet herausstellt – das Vertrauen des Arbeitgebers so stark erschüttern kann, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist. Trotzdem gilt: Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen und rechtzeitig handeln.
Welche Fristen gelten?
Bei einer Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach Entstehen des Verdachts kündigen (§ 626 Abs. 2 BGB). Bei Verdacht auf eine Straftat kann er das Verfahren abwarten. Die genaue Fristbeginn ist oft schwer zu bestimmen – für eine individuelle Einschätzung wenden Sie sich an unser Expertenteam.
Für Arbeitnehmer ist die Frist zur Reaktion entscheidend. Gegen eine Verdachtskündigung kann binnen drei Wochen eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Kündigung automatisch als wirksam.
Besonders tückisch: Gerade bei einer Verdachtskündigung kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber mehrere Kündigungen parallel aussprechen. Möglich sind etwa:
- fristlose Verdachtskündigung
- fristlose Tatkündigung
- ordentliche Verdachtskündigung
- ordentliche Tatkündigung
Damit können im Extremfall gleich vier Kündigungen wegen desselben Pflichtverstoßes vorliegen. Wichtig ist, dass sich die Kündigungsschutzklage auf jede einzelne Kündigung bezieht. Versäumt der Arbeitnehmer auch nur eine, wird diese wirksam und das Arbeitsverhältnis ist beendet. Daher ist es entscheidend, schnell zu reagieren und rechtzeitig anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. In manchen Fällen kann so im Rahmen eines Vergleichs oder einer einvernehmlichen Beendigung eine Abfindung vereinbart werden.
Was tun, wenn Sie unschuldig sind?
Gerade bei der Verdachtskündigung unschuldig Betroffener ist schnelles Handeln gefragt. Wichtig ist, Beweise zu sichern, Widersprüche in den Behauptungen des Arbeitgebers aufzuzeigen und im Rahmen der Klage die fehlenden Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung darzulegen.
Rechtzeitig reagieren und anwaltlichen Rat einholen!
Die Verdachtskündigung ist ein rechtliches Mittel, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hart treffen kann – oft völlig überraschend und nicht selten trotz Unschuld. Weil die Rechtsprechung strenge Anforderungen stellt, bestehen jedoch gute Chancen, sich erfolgreich zu wehren.
Wenn Sie von einer Verdachtskündigung betroffen sind oder weitere Informationen zum Ablauf, den Voraussetzungen oder der richtigen Strategie benötigen, nehmen Sie gerne Kontakt mit unserer Kanzlei in Kronberg (nahe Frankfurt am Main) auf. Wir beraten Sie kompetent im Arbeitsrecht und unterstützen Sie bei der Wahrung Ihrer Rechte. Mit uns kommen Sie auch 2025 zu Ihrem Recht!